Frühjahrsanfliegen 2002 in Slovenien
"Das Pendel des Petrus"

ls die Sonne wieder an Kraft gewann - schon hatte sie wieder fast die Hälfte des Weges vom südlichen zum nördlichen Wendekreis geschafft - regte sich das Blut in den Adern der Gefährten vom Orden der Crawinkler Luftsportvereinigten. Es galt, sich auf den alljährlichen Frühjahrszug "Der Sonne entgegen" vorzubereiten. Rüstungen wurden geputzt, Zaumzeuge gewienert, große und kleine Luftbremsen neu gepackt, Ersatzlanzen (im Volksmund Verbiegbügel genannt) beschafft und nicht zuletzt die verschiedenartigen Luftrösser gepflegt. Skeptisch lauschten scharfe Ohren, ob das Rascheln der Außenhaut ja auch noch die hohen Frequenzen enthalte, als Hinweis auf unverbrauchte Spritzigkeit des Luftrosses. Oder fordert die bereits aus dicken Poren leichtfüßig entweichende Luft etwa, die Dienste eines Abdeckers in Erwägung zu ziehen?

Anreise, Samstag:
Diesmal hatten wir uns nicht wieder bei Bad Reichenhall  zum Treffpunkt verabredet. Doch sind unsere leichtfüßig bereiften Kaleschen bereits so gut auf den alljährlichen Frühjahrsritt getrimmt, daß wir uns alle wie durch puren Zufall just um die gleiche Zeit dort einfinden. Das Leittier eines jeden Gespanns bekommt eine teuer zu löhnende Steuermarke ins Ohr gezwickt als Beweis der rechtmäßigen Benutzung  der Via Alpia durchs Osterland. Da unsere Ausflüge ob ihres hohen Gehaltes nicht nur an fliegerischen, sondern allgemein touristischen Events bereits weithin unser Paradies in Lokve, 900m MSLbekannt geworden sind, haben sich ihnen diesmal sogar zwei der hohen Flugkunst Unkundige Gefährten angeschlossen:  Dörthe, die holde Herzensdame unseres Geldbeutelschneiders Uli sowie Flieger-und Musikfreund Lev, dessen Mähne seinem (gepflegten!) Namenspatron alle Ehre macht.  In der Herberge "Paradies" in Lokve werden wir wieder von der Wirtin begrüßt, die stolz ihre in harter Mühsal erworbenen Kenntnise der deutschen Sprache demonstriert.

Der erste Tag - schon ein Flugtag!
nicht viel Platz für alle auf der Drachenrampe am Lijak, 900m MSLZunächst sah es gar nicht danach aus. Dicker Dunst, tiefe Wolken, Nieselpriesel,... Nur der Großmeister bemühte sich, zart glimmende Hoffnungsfünkchen am Leben zu erhalten.  Mit geschultem Blick den Photonenreststrom durch die Wolken abschätzend: Die Abschirmung ist nicht sehr mächtig, sollte sich bald auflösen. Das tat sie dann auch gehorsam. Als gegen Mittag das erste Drachenfliegerauge einen blauen Himmelsfetzen erblickte, gab es kein Halten mehr. Gurtzeuge in die Kaleschen gepackt und ab zur Drachenrampe. Dort verhüllten noch Nebelschwaden den Blick hinunter ins Tal, standen aber gegen die Strahlen der Märzsonne auf verlorenem Posten.  Da war Zeit, das Gelände zu inspizieren, Windfähnchen zu postieren und nicht zuletzt die Start-rampe zu reparieren. Die Herbststürme auch Glitschis können sich mitunter nützlich machenhatten an dem Belag herumgezaust, der für die Steigerung des Haftreibungskoeffizienten verantwortlich ist. Also Werkzeug herbei und an die Arbeit. Die Glitschies zeigten, daß sie durchaus zu nützlicher Arbeit fähig sind. Martin zerwedelte mit einem Fuchsschwanz allzu kecken Wildwuchs unterhalb der Rampe, während Andreas und Uli an der Rampe herumnagelten.  Uwe paßte auf, daß sich die Handbremse seiner Kalesche nicht zufällig löste. Olga stellte Atzung bereit, während der Großmeister die kurzfristigen Pläne von Petrus zu ergründen suchte.
Die Sonne scheint, um zu siegen. Also rasch die Drachen aufgezäumt. Die Gleitschirmflieger (Glitschis) Martin und Andreas bleiben zwar noch lange skeptisch. Erst als sich ein Drachen nach dem anderen in die Lüfte emporschwingt glauben sie, daß heute fliegbares Wetter ist und werden zapplig - schnell zum Glitschistartplatz fahren!
nach getaner Arbeit,...,ob wir noch fliegen können?Mittlerweile tummeln sich die Drachenritter am Himmel und genießen lang entbehrte Höhenluft. Vergessen die noch vor wenigen Minuten puddingweichen Knie und das flaue Gefühl im Magen beim Blick die Rampe herunter in den gähnenden Abgrund. Lange war die Winterpause gewesen und Drachen wie Ritter der luftigen Höhen entwöhnt. So gab es reichlich Zagen. Doppelt sorgfältig wurde das Zaumzeug überprüft, der Sitz im Sattel geprobt, Funkverbindung getestet, auf daß eventuelle Schreckens-schreie nicht ungehört verhallten. Endlich entließ sie der Großmeister mit fürsorglicher Hand in den Luftraum und nun gibt es  endlich Thermik. Die ist zwar nicht so stark wie mitunter im Frühjahr, sanft hebt sie unsere Ritter empor und läßt sie aus luftiger Höhe weit ins Land blicken. Im Süden schimmern die Gestade der Adria im Dunst, im Norden ragen die Gipfel der Julischen Alpen aus den Wolken. Tatsächlich sind dort die Täler vollständig mit Wolken angefüllt. Nur am geliebten Lijak, unserem Frühjahrs-turnierplatz, sind die Niederungen frei. Zum Glitschistartplatz sind es etwa 3 Meilen an der thermikspendenden Kante entlang, also mal dorthin fliegen. Martin und Andreas sind noch nicht zu sehen, also wieder zurück zur Drachenrampe. Daneben der Weiße Felsen, Olgas Lieblingsplatz. Daß man dort sehr zuverlässig gute Thermik findet, haben auch die Alpendohlen herausgefunden.Von der Marienkapelle 500Fuß unterhalb der in der Ruhe liegt die KraftDrachenrampe steigen sie empor und spielen in der warmen Frühlingsluft. Olga be-merkt, daß ihr der Kopf, helmbewehrt, tüchtig schwer wird. Die Arme erlahmen schon von der ungewohnten Arbeit, gegen die Thermik zu kämpfen und den Drachen in die gewünschte Richtung zu zwingen. Also findet der aufkeimende Gedanke an eine Lan-dung reichlich Nahrung und sie beschließt, den Flug zu beenden. Da sie mit diesen Gedanken nicht allein ist, trudeln auch Uli und Uwe bald dort ein und wetteifern um die eindrucksvollsten Bauchplumpser, Nasenknaller oder Lauf-Stolper-Fall-Landungen. Immer wieder beeindruckend zu sehen, auf welch unterschiedliche Art und Weise Drachen in ihrem Vorwärtsdrang abgebremst werden können. Konrad nimmt sich noch Zeit für einen ausgedehnten Flug zum Kuceli, weit hinter die Drachenrampe. Dort am höchsten Berg des Massivs in Gipfelhöhe ankommen, den Wanderern huldvoll zuwinken, dann aufdrehen, bis sie klein sind wie Ameislein, macht immer wieder Spaß. Darüber darf man aber nicht vergessen, die Augen kreiseln zu lassen: Wer ist noch im Luftraum, starten tief unten auf dem Flugplatz in Aidovcina die Motorflieger mit Seglern im Schlepptau, wie entwickelt sich das Wetter? Die Landschaft sieht jetzt ganz eigenartig aus. Aus den nördlichen Tälern haben sich die weißen Schafherden gleichenden Wolkenmassen in Bewegung gesetzt, fließen nach Süden, schwappen schon über die Kämme und sind im Begriff ins Haupttal zu strömen. Dann könnte Konrad nicht mehr landen! Also schnell zurück zu den Gefährten, die Höhe heruntergeleiert. Der Endanflug ist zu hoch angesetzt, die Landung dann verstolpert, naja, das Jahr ist ja noch lang und es wird schon noch auch gute Landungen geben.
Abends treffen wir im Paradies auf Marion und Andre, zwei echte Fliegende Holländer. Gern tauschen wir Erfahrungen aus und unsere Jäger überprüfen schon mal, ob ihr Pulver trocken geblieben ist.

Montag bläst's aus N
ob wir sie jetzt anbeten sollen?Nachts braust und jault es ums Paradies herum, daß es unseren wackeren Helden Angst und Bange wird. Auch am Morgen keine Abschwächung. Deshalb gibt es erst mal Putz- und Flickstunde. Konrad lötet in Uwes Helm größere Ohren (damit Uwe besser hören kann!). Dann wird beschlossen, eine kleine Wanderung zu unternehmen. Mit Rücksicht auf unseren gehfaulen Taxisten Andreas fahren wir schon mal die größere Strecke mit den Autos. Die lassen wir dann am Drachenstartplatz zurück, verabschieden uns von Marion und Andre, die eigene Pläne verfolgen, und schlagen die Richtung zum Kuceli ein. Gestern noch leichtflüglig drüber hinweg geglitten, muß der Großmeister nun seine knapp halbhundertjährigen Knochen aus eigener Kraft hochschleppen. Tröstlich, daß unser Gast vorn die Bucht von Monfalcone, dahinter die Lagune von VenedigLev  noch ein paar Jahre mehr drauf hat. Übrigens ist Lev gar kein Kostverächter. Nicht was den Genuß kostenlosen Fotografiertwerdens anbetrifft, schon gar nicht die kulinarischen Genüsse.  So schnell sagt Lev nicht "Nein". Zu seinem Leidwesen wird er selten gefragt, hat eben nicht das Stimmrecht eines wahrhaften Ritters der Lüfte.  Auf dem Kuceli lohnt wunderbare Aussicht ringsherum für die ausgestandene Mühe.  Das ganze Fluggebiet kann mit Blicken erfaßt werden. Schlachtpläne für zukünftige Heldentaten werden geschmiedet.
Hoch sollen leben Marion und Andre!!!Fern am Horizont schimmern die Dächer und Kuppeln von Venedig. Lev träumt vom Taubenfüttern auf dem Marcusplatz...  Abends wieder im Paradies erfahren wir, daß unsere fliegenden Holländer heim geflogen sind. Neben netten Abschiedsworten haben sie aber der Wirtin ein Faß Bier gelöhnt und wir sind Manns genug, solch edle Gabe schnell an ihren Bestimmungsort zu befördern.
 

Der Dienstag - Flugtag!
Einbau von hochwirksamen elektro-akustischen Wandlern in Uwes HelmDanach sieht es erst gar nicht aus, von Norden her ziehen noch die Wolken, wenngleich längst nicht mehr mit solch ungestümer Kraft wie am Vortage. Auf der Rampe angekommen pflegen wir Hoffnungspflänzchen, die auch bald Wurzeln schlagen und groß und stark werden. Wieder Drachen aufgebaut, die Glitschis wollen ganz rasch an ihren Startplatz. Nicht noch einmal so lange warten wie am Sonntag, bis alle Drachen in der Luft sind und die Thermik aufgenascht haben. Lev begleitet die Glitschis und ver-kündet, daß er dann zu Fuß zum Landeplatz hinuntersteigen möchte. Das erzeugt eine Sorgenfalte mehr auf des Großmeisters Stirn, ist doch Lev nicht im Besitz eines GPS, der modernen Weiterentwicklung des Wir sind gleich fertig!Ariadnefadens. Heute ist kein Wetter für lange Luftreisen. Hohe Wolken dämpfen die Thermik erzeugenden Sonnenstrahlen. Kaum eines der ersehnten Blubberbläschen quillt aus dem Tal empor. So gilt es schon bald nach dem Start wieder, den gemütlichen Beutel zu öffnen, in welchem man seine unteren Extremitäten wohl verwahrt hat. Die Landungen sind noch nicht vom Feinsten, aber alles bleibt heil.
nur nichts liegenlassen!Die Drachenritter haben viel Zeit, ihren Rössern die Zügel abzunehmen und Schondecken umzulegen. Dann kommen die Glitschis herunter geglitscht und dann warten alle auf Lev. Konrad und Olga besteigen schließlich den getreuen Seppl und fahren, Lev zu suchen.
Wie wird das Wetter morgen? Nach einigen Nachforschungen finden wir eine Außenstelle des Orakels von Delphi. Konrad weiht Andreas in dessen Gebrauch ein. Nach einer knappen Stunde wissen es alle: Petrus läßt weiter sein Wetterpendel schwingen. Flieger- und Flugwettertage werden einander ablösen. Heute war Flugwetter, also wird es morgen Fliegerwetter geben.

Mittwoch im Regen
Vor der Dante-Höhle hat Dörthe RespektBei Fliegerwetter kann gewandert werden, Museen besucht, Bilder besichtigt, Bücher gelesen,... Lev ist stimmlos für Venedig, hat aber zu schlechte Lobbyarbeit geleistet. Martin ist für alles, wenn nur Die Höhle dabei ist. Seine Flexibilität siegt. Also wird die Route festgeklopft und dieser Tag dem Wassermann gewidmet. Die Tolminkaschlucht ist das erste Tagesziel. Hinter Tolmin  in den Triglav-Nationalpark gefahren und gleich wieder rückwärts heraus, Kaleschen abgestellt und zu Fuß wieder rein, immer an der Tolminka lang, auf schmalem Pfad, mit weichen Knien wegen der gähnenden Abgründe. Dann stehen wir vor der Dantehöhle. Jeder bekommt eine Kerze in die Hand gedrückt und es geht im Gänsemarsch hinein. Dörthe paßt draußen auf, daß Olga und die Christrosenniemand den Eingang verschüttet. Martin mit seiner Supersparlaterne immer vorne weg. Das Wasser tropft uns jetzt nicht nur in den Nacken, sondern schwappt auch schon mal oben in die Schuhe, wenn eine Pfütze ausreichenden Tiefgang aufweist und man nicht aufgepaßt hat. Nachdem unsere Köpfe auch ein ausreichendes Quantum an Beulen kassiert haben, geht es wieder zurück in den Regen. Da Lev sowieso bei Regen naß wird, schont er seinen Schirm und steckt ihn in die Tasche.  Nächstes Ziel ist Kobarid. Gleich hinter der Feuersalamander auf ChristrosenGedächtniskirche beginnt der Naturlehrpfad. Martin ist wieder in seinem Element und erklärt uns Unterschiede zwischen Seidelbast und Leberblümchen. Ein dicker Feuersalamander wird nur ganz gefüllte Kalamaris mit Gemüseplatte - hmmmmzufällig nicht zertreten. Wiesen von Christrosen bedecken den Waldboden, als Höhepunkt Reste einer Römerfeste. Ein Fest gibt es dann doch noch bei Sterk. Abends sind wir endlich wieder Gäste in seiner Taverne. Als alte Stammgäste werden wir herzlich begrüßt und bekommen schon mal ein leckeres "Geschenk des Hauses". Kein Slovenientrip ohne gefüllte Kalamari mit Gemüseplatte, vortrefflichem slovenischen Wein von den Hängen der Feste Staro Grad. Möge Sterk immer so stark bleiben, auf daß sein Ruhm die Jahrhunderte überdauere.

Donnerstag - wieder Fliegen!
gleich springt Olga in die TiefeHeute Flugwetter, das muß zweckdienlich genutzt werden, also wieder auf zum Startplatz und Drachen aufgezäumt. Der Wind bläst verläßlich gegen den Berg. Das sind gute Startbedingungen und ohne Probleme schwingt sich einer nach dem anderen unserer wackeren Ritter der Lüfte in selbige. Allerdings hält sich auch heute wieder die Thermik zurück. Viel mehr als die Zeit, welche der große Uhrzeiger für eine Runde braucht, können sie sich nicht oben halten.  Dann tröpfeln sie am Landeplatz herunter. Das zu verhindern werden alle möglichen Thermikquellen abgeklappert. Sorgsam werden Talboden und Hänge gemustert nach Stellen, die noch von der Sonne beschienen werden. Wo könnte der Wind das zarte Thermikbläschen hinwehen? Hat man dann so einen schwachen Seufzer aufgespürt gilt es, ihn zu hegen und zu pflegen. Wer einem sachten Heber mit forschem Steuerausschlag begegnet, wird weniger Erfolg haben als derjenige, der die geheimen Regungen und Wallungen der Luft vorausahnt, ihrer Regungen errät und die stillen Wünsche. Ist es deshalb so, daß Männer - gewohnt, zarten Regungen zu folgen - meist besser fliegen als Frauen?
Das Sprungtuch schön straff halten!Natürlich wehrt man sich gegen einen allzu frühen Absaufer, das kann jedoch keinesfalls mit Saufen verwechselt werden. Die Ritter von Glitschis und Drachen sind zwar kernige Burschen und stehen gut im Fleische. Niedere Saufgelage sind aber verpönt, das vernebelt nur den Sinn, schwächt Körper und Geist. Viel berauschender ist es, unter den Flügeln am Himmel dahin zu gleiten, unter sich die Landschaft wegziehen zu sehen und sich frei zu fühlen wie ein Vogel. Natürlich zeigen sich unsere Männer auch leiblichen Genüssen nicht gänzlich verschlossen. Ein edler Tropfen "Rote Olga" lockert die Zunge und regt das Blut an wie es den freien Flug des Geistes befördert. Ebenso hoch im Kurs steht Minnedienst an holden Frauen. Welch Glück für unsere liebreizenden Edelfrauen Dörthe und Olga, daß sie unserer Gesellschaft teilhaftig sein können, ist doch unser Trachten stets danach, ihre Wünsche nicht nur zu erraten, somndern auch zu erfüllen! Unsere noch unbeweibten Männer jagen dabei
unverdrossen weiter. Uwes Handyrechnung bricht alle Rekorde von Canazei. Eine langhaarige Schönheit geizt im fernen Hessenland noch mit ihrer Zuneigung und will sorgsam umworben werden. Welche Heldentaten muß unser Recke nur noch vollbringen, um ihr Herz zu erobern? Warten wir den nächsten Flugtag ab.
Da aber das Pendel jetzt auf Fliegerwetter ausschlägt, müssen wir am nächsten Tag wieder einen schwierigen Entschluß fassen.

Freitag - wieder wandern oder was?
alle schön lächeln!Natürlich nicht, Andreas hat sein Kilometersoll für den ganzen Monat erfüllt. Allerdings ist das Wetter supertoll für Otto-Normaltouristen geeignet, nur nicht zum Fliegen, denn es bläst scharf aus dem Norden. Dafür ist die Luft glasklar, traumhafte Sicht in alle Richtungen. Wir beschließen, daß Lev heute wirklich Venedig sehen wird, dazu noch über die Adria hinweg. Wir fahren nach Pirano, einem kleinen Fischerdorf an der Adria.  Möglicherweise hausten hier auch mal Seeräuber. Ganz sicher waren es keine Taxiunternehmer, denn leere und noch einmal alle schön lächeln!Parkplätze zu finden ist eine echte Herausforderung. Dafür finden wir hier eine Menge anderer Dinge. So gehen wir durch enge Straßen, ganz enge Gassen und superschmale Durchschlüpfe, wo man Angst bekommt, bei zu tiefem Einatmen stecken zu bleiben. Damit ihnen das gar nicht erst passieren kann, versacken unsere gehfauleren Gefährten Andreas, Uli, Dörthe und Uwe in einer Taverne und lassen sich mit Cappuccino  vollaufen, lästern über tagewerkelnde Einheimische und passen auf, daß die Kaleschen knöllchenfrei bleiben. Von Entdeckerneugier getrieben erkunden die anderen Gefährten die Halbinsel. Nicht zu übersehen die Bronzestatue von Giuseppe Tartini, dem großen italienischen Geiger. Ehrerbietig begegnen ihm unsere Ritter, wissen sie doch, daß seine Sonaten einst auf verschlungenen Wegen, den halben Erdball überspannend, zur Vermählung des Großmeisters mit Jungfrau Olga, der lieblichen Blüte der sibirischen Taiga,  Anlaß waren.
Da lacht das Herz und die Seele baumeltWir sind einem Kamerateam auf den Spuren, oder sie auf den unseren, das läßt sich nicht so klar unterscheiden. Jedenfalls begegnen wir uns ständig. Subjekt von Regisseur und Kameramann ist eine russische Diva. Sorgfältig geschminkt und in kostbare Garderobe gehüllt wirkt sie darin überzeugend, daß ihr Unterhalt weit außerhalb der Kalkulationen von Malermeister, Taxifahrer, Lampenbauer, Autoklempner und ähnlich ehrlichen Berufsständen angesiedelt ist. Deshalb bleiben die Flinten bei unseren Jägern in den Futteralen, nur die Gläser werden gezückt.
Nach mühevollem Aufstieg erklimmen wir die Höhe der Festungsmauer. Zauberhafter Ausblick auf die roten Dächer des Ortes, der sich wie der Bug eines Schiffes in die blaue Adria schiebt. Fern am Horizont glänzen die Dächer und Kuppeln der Paläste und Kirchen von Venedig, der Perle der Adria. Ist dort nicht der Dogenpalast, die Kirche von San Marco, den Campanile, die St. Maria della Salute? Dort waren wir vor genau einem Jahr und überstanden mannhaft gefährliche Kahnfahrt.
Ob wir Martins Kasten schaffen? Keine Frage!Werden wir morgen wieder dorthin fahren? Ganz sicher nicht, denn das Pendel muß wieder auf Flugwetter schwingen!  Zur Sicherheit wird abends in Nova Goriza noch einmal das Orakel befragt. Es gibt uns Gewißheit: Morgen kommt der ersehnte Tag der großen Ausritte! Das muß schon am Vorabend gebührend vorbereitet werden. Ritter Martin hat, ganz gegen seine Gewohnheit spartanischen Wirtschaftens und zu aller höchst angenehmem Erstaunen, ein Faß Bier gestiftet. Dazu wird allerlei süßes und saures Gummigetier von Uwe dargereicht. Der Großmeister liefert eine weitere Flasche "Rote Olga" aus der Staatsreserve und alle bereiten sich auf süße Fliegerträume vor.

Samstag - der große Ausritt
 Aus selbigen Träumen erweckt der Großmeister seine Gefährten mit wohltönendem Geigenklang. Das Frühstück wird rasch eingenommen, Lev erzeugt seinen täglichen Berg von Klappstullen und verstaut selbige sorgfältig. Heute macht er sich nämlich relativ selbständig und will nach Italien. Der weichherzige Andreas fährt ihn zur Grenze nach Gorizia und alle hoffen, daß Lev den Absetzpunkt wiederfindet. Die Drachenritter sind derweil schon beim Aufzäumen. Einige Gleichgesinnte slovenische Ritter leisten uns auf dem Aufbauplatz Gesellschaft.  Uwe plant heute Großes. Wie kann er seiner angebeteten Herzensdame besser seinen Mut und Unerschrockenheit zeigen, wenn nicht durch tollkühne Flugmanöver, gebannt auf alle Ewigkeit in dünnen Schichten halogenhaltigen Silbers? Zu Zeiten Amadis' von Gallien genügte es noch, ein paar Ritter abzustechen, um seinen Mut zu Konrad hats wieder zum Plesa geschafftbeweisen. Heute muß man mehr zeigen.  Er schwingt sich hoch in die Lüfte, um dannDer kleine weiße Punkt unten auf der Wiese ist Uli!pfeilschnell herabzustoßen wie ein Habicht aufs ahnungslose Mäuslein.  Ebenso ahnungslos ist aber der Großmeister. Bevor er seinen Zauberkasten aktiviert hat, Uwes kühnen Überflug über die Drachenrampe für die Nachwelt zu verewigen, ist Uwe schon vorbei gezischt. Uwe muß wohl so etwas geschwant haben, denn er gibt dem Großmeister mit einem erneuten Anflug eine zweite Chance. Konrad ist aber zu stark in Anspruch genommen durch Starthilfedienste, so daß Uwes Bemühen auch diesmal wirkungslos verpufft.
der baut nämlich gerade seinen Drachen ab und wechselt den VerbiegbügelUwe hat wohl hierbei soviel Kräfte verausgabt, daß er bald darauf landen muß. Auch Olga folgt ihm bald nach. Dabei waren heute Streckenflüge angesagt. Einzig Uli läßt seinen Ehrgeiz nicht so leicht vergessen. Gemeinsam mit dem Großmeister wird der erste Wendepunkt, die Magdalenenkapelle, genommen (in Fliegerkreisen bekannt durch eine vielbeachtete Life-Sendung vom Vorvorjahr über den Zusammenhang von Kapelle und Friedhof). Dann geht es rasch zurück und weiter zum Kuceli. Dort hat Uli einen Hänger und muß weit draußen vor dem Berg Höhe tanken, während Konrad bereits den Talsprung zum Kovk riskiert. Das Frohlocken über den günstigen Wind mischt sich mit Sorge wegen der nicht sehr hochreichenden Thermik. Zum Nanos ist es nämlich noch ein weiterer Talsprung. Während Uli gerade den Kovk erreicht, fliegt Konrad schon über den zweiten Taleinschnitt. Der Sprung ist weit, die Höhe - schon von Anfang an knapp - schmilzt dahin. Endlich am steilen Felsen des Nanos angelangt verbleiben nur weniger als 1000 Fuß bis zum Talboden. Eine Wiese am Waldrand wird angesteuert, wo der Talwind die Thermik zusammenschiebt und diese ablösen sollte. Der Schweiß tropft schon in den Kinnschutz, doch die Rechnung geht auf, erst langsam, dann rasch geht es nach oben.  Zum Plesa, dem Gipfel des Nanos ist es dann nicht mehr schwierig, die Hänge des Nanos spenden stets üppige Thermik. Die Antenne wird fotografiert und  schon wieder geht es zurück . Bald tönt Ulis Stimme durch den Äther, daß er glücklich gelandet ist. Für die zweite Talquerung hatte er nicht mehr genug Höhenmeter einsammeln können, so war wieder bei der Pizzeria Anja Ende der Luftfahrt. Zielsicher trifft Uli dabei genau eine Wiesenkante, so daß ein Verbiegbügel sein Leben für Ulis Gesundheit hingibt. Konrad gelingt mal eine weiche Landung und er tröstet den Gefährten über den Verlust hinweg. Inzwischen sind die Frauen eingetroffen, wir genießen ihre Gratulationen, dann werden gemeinsam Cappuccinotassen geleert.

Vor der Heimreise
das muß reichen bis zum nächstemn Anfliegenwerden die Vorräte an köstlicher slovenischer Salami aufgefüllt. In Bovec, kurz vor der Platte ab und ab durch die Mitte!Grenze, gibt es noch eine volle Tankfüllung zum mageren slovenischen Preis. Dann kann uns fast nichts mehr aufhalten und der kalte Norden hat uns wieder.