Vorwort Seit vielen Monaten führen Wissenschaftler, Verleger, Buchhändler, Bibliothekare und Politiker auf verschiedenen Ebenen Gespräche, wie unser Wissen und unsere Informationen digital transferiert werden können. Bei seiner Frühjahrssitzung 1995 faßte der Verlegerausschuß im Börsenverein des Deutschen Buchhandels den Entschluß, im kommenden Jahr unter dem Namen "German Publishing InfoLine" einen Buchhandelsserver zu installieren. In diesem Zusammenhang gab der Generaldirektor Der Deutschen Bibliothek, Herr Professor Lehmann, die Anregung, alle Beteiligten zu einem Symposion zu bitten, um den wichtigen Fragen nachzugehen: Was erwartet die Wissenschaft von den digitalen Medien? Welche Funktionen haben die Beteiligten? Und welche gesellschaftlichen und kulturellen Konsequenzen haben die neuen Informationstechnologien? Welche Fragen ergeben sich aus der neuen Infrastruktur zu Dokumenten, Transfer, Qualitätssicherung, Finanzierung, Copyright und vielem anderen? Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Die Deutsche Bibliothek und die Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände baten einen ausgewählten Kreis von Experten zu einem zweitägigen Symposion, das im November 1995 in Bonn in den Räumen der Hessischen Landesvertretung stattfand. Die Veranstalter erhofften sich von diesem Symposion, daß die verschiedenen Überlegungen, Denkansätze, Pläne und Programme und auch deren erste Konsequenzen und Verwirklichungen von den Beteiligten insgesamt in den Blick genommen und kritisch geprüft würden. Kalif Omar, verantwortlich für die Verbrennung der Bibliothek von Alexandrien im siebten Jahrhundert nach Christus, hat seinen Entschluß, die berühmteste Büchersammlung der Alten Welt zu vernichten, mit folgender Überlegung begründet: "Wenn die Bücher dieser Bibliothek dem Inhalt nach mit dem Koran übereinstimmen, sind sie unnütz; stimmen sie nicht mit dem Koran überein, sind sie schädlich. Sie stimmen also mit dem Koran überein oder nicht überein, sind demnach unnütz oder schädlich, in jedem Fall also sollten sie verbrannt werden." In die Logikhandbücher der Jahrhunderte ist Omars Argumentation bis heute eingegangen als Schulbeispiel für ein Dilemma. Ist dieses Dilemma der Bücher durch die Möglichkeiten neuer Informationstechnologien aufgehoben? Können wir fünfzig Jahre nachdem Jorge Luis Borges, der große argentinische Erzähler und Bibliothekar, noch den Plan einer "unendlichen Bibliothek" entwarf, mit einer ganz anderen, Räume und Zeiten verkürzenden Legitimation von einer unendlichen Bibliothek sprechen? Es ging in den Bonner Gesprächen darum, die Möglichkeiten und Grenzen zu benennen, die alle Beteiligten aufzugreifen oder einzuhalten haben. Ich freue mich, daß in dem nun so rasch vorliegenden Band die Vorträge und Stellungnahmen der Beteiligten dokumentiert werden können. Gottfried Honnefelder