Frühjahrsanfliegen 2004
in Slovenien
"Thermik unterm Kalten Tropfen"
usgerechnet
zum Termin unseres alljährlichen Anfliegens setzte Petrus einen
gehörigen Schwapp kalter Luft nach Süden in Marsch. Gut
gepolstert und getarnt durch recht hohen Luftdruck am Boden wollte er
uns damit überraschen. So ganz gelang es ihm nicht, denn Konrad
erkannte nach ausgedehnter Befragung des Wetterorakels seine Absichten
und warnte rechtzeitig die Getreuen vor dräuendem Wetterunbill.
Eispickel, stählerne Bandagen für die Hufe der Rosse, dicke
Handschuhe, Wollschale,... wurden bevorratet und in die Kaleschen
griffbereit eingelagert.
Anreise, Samstag und Sonntag:
Die Kunde von dem
Erfolg der
allfrühjährlichen Flugzüge unseres Ordens hatte sich
weiter verbreitet
und zahlreiche Gäste, Familienmitglieder wie Freunde der
Ordensbrüder,
aber auch Drachenpiloten, die dem freien Fliegen frönen, hatten um
die
begehrten Plätze gebuhlt. So wurde unser Martin von seiner zwar an
Jahren reifen, aber nichtsdestotrotz mit frischem
Geist und wackeren Gliedern gesegneten
Mama begleitet, nebst derem vergleichsweise jugendlichen Gespielen
Georg. Auf noch größeren Troß konnte Gideon
verweisen. Neben der
liebreizenden Annegret brachte er zwei alte Kämpen der
Drachenfliegerzunft mit - sein Vater Otto, ergraut in
zahlreichen
Schlachten und deshalb in wohlverdientem Ruhestand, sowie Peter, der
noch ein letztes Paar Sporen abwetzen möchte. Natürlich ist
Schatzmeister Uli ohne Verlobte Dörthe nicht vorstellbar,
desgleichen
Glitschipilot Volker nebst Gattin Christine. Offiziell als Freundin von
Christine vorgestellt wurde uns die attraktive Marina. Karsten
hatte
gleich einen Harem von drei Frauen angekündigt. Letztendlich hielt
ihm
nur Marion das Wort, bajuwarische Glitschipilotin.
Das
Großmeisterehepaar war
diesmal wieder gemeinsam dabei und hatte - absolutes Novum -
Prinzessin Elvira mitgebracht. Wie gut, daß Konrad in
Sorge um das leibliche Wohl seiner Gefährten die Unterkunft schon
weit im Vorfeld vertraglich abgesichert hatte. So bekam jeder seine weiche Schlafstatt
und konnte seine Glieder ruhen lassen.
Natürlich ließen
wir
bei der Wahl der Zimmer unseren Gästen den Vortritt, was dazu
führte, daß Uli, Dörthe und Uwe ein Außenquartier
nutzen mußten.
Diese hatten bei der Anreise gegen den abends aufkommenden Schneesturm
zu kämpfen. Dann weiter durch den Sturm zum Außenquartier!
Was Wunder, daß unser Recke Uwe seine ganze Kraft aufbringen
mußte, dies Unbill zu erdulden. Bot doch sein Körper dem
Sturm die mit Abstand größte Angriffsfläche. Dazu
tröpfelten "tröstende" Worte aus des Altmeisters Otto Munde
wie Körnchen Salz in die frischen Wunde.
Montag - noch ein Sturmtag!
Nachts
jaulte und heulte der Schneesturm am Hotel, daß einem angst und
bange werden konnte. Wie gut, daß die Zimmer vorgeheizt waren und
Decken reichlich vorhanden. Kroch man unter der Decke zusammen, konnte
man
doppelte "Heizleistung" unter
doppelter Isolation mit weiteren Annehmlichkeiten kombinieren. Was
Wunder, daß lediglich die älteren Herren Peter und Otto
über zu kalte Zimmer klagten. Das Frühstück in trauter
Runde am Kamin vereinte noch unsere Freunde, dann stoben sie
auseinander um Kurzweil zu suchen in tiefen Höhlen getropfter
Steine, Bergesschluchten mit gurgelndem Wasser und noch zaghaft
sprießendem Grün. Erst zum Abend vereinte uns gemeinsame
Lust auf den Verzehr von lecker zubereiteten
Bauch- und
Kopffüßern, Flossentieren,
Sprengreh,... Dann noch den berüchtigten Samogon zur Desinfektion von Atem- und Rachenwegen
eingesetzt. Manchen trieb der Drang zu innerer Sauberkeit zum
mehrfachen Gebrauch dieses Wundermittels, was regelmäßig zu
glasigen Augen führt und auch den Kopf von jeglichem Gedankengut
gründlich reinigt. Dann gab es noch eine große
Überraschung, weil Konrad den ersten Band der Vereinschronik
"2003-die saison" zur Aufführung brachte. Uwes berühmte
Aktionslandungen riefen die verdienten Beifallsstürme ebenso
hervor wie traumhafte Flüge von Gideon über den Zinnen der
Dolomiten.
Endlich fliegen!
Nachts gab es
wieder den schon vertrauten Lärm klappernder
Dachschindeln und das Geheul des Schneesturmes. Am Morgen rückte die Pistenraupe
an, um Seppl nebst Artgenossen frei zu schieben. Die Wolken hatten es
immer noch ziemlich eilig. Der Großmeister verkündete,
daß man heute fliegen werde. Marion, noch neu in unserer
Runde, schenkte Konrads Auslegungen des
Wetterorakels wenig Vertrauen und entschloß sich, auf alle
Fälle am Leben bleiben zu wollen. Das entschärfte
zunächst einmal das Logistik-Problem betreffs der
Drachenkaleschen. Den tief verschneiten Zufahrtsweg
meisterten wir ohne Probleme.
Die
Rampe bettelte allerdings um
Erbarmen. Leider war kein geeignetes Material zur Auswechselung
etlichen morschen Holzes griffbereit. Das machte den ersten Startlauf
besonders spannend. Gewitzt aus den Erfahrungen des Vorjahres wurde ein Deut
schneller aufgebaut und dann nach dem üblichen Zaudern aber
zügig gestartet. Besonders mit Karsten litten alle mit, wie er
seinen Drachen durch die brodelnde Frühjahrsthermik mühsam
geradeaus auf Kurs hielt, um endlich den Sicherheit verheißenden
Landeplatz zu erreichen.
Auch die anderen Ritter der
Lüfte genossen die Thermik,
allerdings drehten sie sich darin in den Himmel, gleich gewaltigen
Korkenziehern. Als die Wolken
dunkler wurden, ließ Konrad
warnende Rufe laut werden, und bevor möglicher Unbill seinen Lauf
nehmen konnte, standen schon alle unten und klappten die Flughäute
der Drachen zusammen. Einzig Peter hielt sich noch in der Luft, er
hatte vorsorglich seinem Funki die Nahrung abgedreht und durch
Stromtierchenlähmung zur Ruhe befohlen.
Mittwoch wird der beste Tag
Der
Nordwind ist ganz eingeschlafen, auch Marion hat keine Bedenken mehr,
sich äolischen Genüssen hinzugeben. Der Himmel ist superblau
und die Wolken wie gemalt. Also wieder früh los, Kaleschen
abgeladen und (Dank den selbstlosen
GS-Piloten und Ehefrauen) zum
Landeplatz geschafft. Dort abgestellt und mit anderem Auto wieder hoch
zum GS-Startplatz, bevor die Thermik wieder einschläft. Genug Zeit
für Peter und Otto, sich noch geraume Zeit in Morpheus Armen zu
wiegen. Die Thermik ist kräftig und reicht bis 1700m, wo es
richtig kalt wird. Konrad hat die Marschrichtung Plesa abgesteckt und
erwartet zügiges Tempo. Irgendwie fehlt aber noch der richtige
Zug. Uwe hat sein Funki nicht eingeschaltet und sich dadurch eine
Ausrede organisiert. Ulis Drachen läßt irgendwie die
Ohren hängen und sich nicht auf Trab
bringen. Uli ist Kumpel
und
nimmt
die Schuld auf sich. So ist es wieder einmal Konrad, der die
ersten Streckenkilometer des Jahres für den Verein einsammelt. Der
Nanos ist wie stets bei Ostwind ein unsicherer Kandidate und
läßt ihn, genasführt durch eine zunäc hst
verführerische Cumulus, gnadenlos zu Tale reiten.
Abends
sind ausnahmslos alle guter Dinge. Die Begleitmannschaften werden ihrer
Aufgabe als geduldige Zuhörer von Fliegerlatein gerecht und
zählen nebenbei die tagsüber eingesammelten ersten
Pigmente. Auch Peter weiß jetzt, weshalb das
Frühjahrsanfliegen im frühen Jahr und in Slovenien
stattfindet.
Noch ein Wandertag!
Der Frühling
will sich nicht einstellen. Wie ein nasser Sack hat
sich der Kaltlufttropfen über der Adria festgesetzt und
wetterwendischt. In Lokve Schnee, weiter unten Regen, und beides nicht
zu knapp. Wer die Höhlen noch nicht kennt,
kriecht dort gegen üppiges Löhnen für ein paar Stunden
unter. Elvira findet sich inzwischen im Hotel prima zurecht und krault
mit Vergnügen den Reh- und Hirschbälgen die Hälse. Dann
ist auch die letzte Windel verbraucht und Papa muß Nachschub
heran schaffen. Dabei wird gleich wieder das Orakel befragt und Marion
ist Zeugin der günstigen Prophezeihungen. So vergeht auch
dieser Tag. Die allabendliche Versteigerung einer der silbern
glänzenden Scheiben mit dem Vereinsvideo wird wieder ein Erfolg
für die Vereinskasse.
Freitag ist wieder gut!
Bestimmte Hinweise des Orakels
hat Konrad so ausgelegt, daß
zeitiger Flugbeginn
ratsam
erscheint. Entsprechend früh wird Gas
gegeben. Dann durchzuckt es Uwes Kalesche und - wuff steckt sie fest im
Schnee. Uwe wird heute Vossi-Bärchen des Tages und das abendliche
Video genießen, wo dokumentiert ist, wie mit bloßen
Händen fest gefahrener Schnee geschaufelt wird. Seppl wird
erst ohne, dann mit Schneeketten eingespannt, die junge Dame Mercedes
aus ihrem kalten Gefängnis zu befreien. Sei es, daß Seppl zu
sehr Kavalier ist um eine Frau am Hinterteil zu zerren, sei es,
daß von den ehemals 90 Pferden in Seppls Diensten viele an
Altersschwäche leiden oder das Zeitliche bereits gesegnet haben -
alles Bemühen hatte nur den Erfolg, daß sich Mercedes immer
tiefer Richtung Abgrund bewegte. Zum Glück ist das
Militärobjekt nicht weit. Uwe geht, um eine Schaufel zu holen und
kommt mit Jeep nebst Fahrer zurück. Nach einem
Akt praktizierter
deutsch-slovenischer Freundschaft steht Mercedes auf festem Grund und
Uli und Micha liegen
sich in den
Armen. Dann
werden doch noch die Drachen aufgebaut und Petrus hat ein Einsehen. Die
vorbereiteten Abschirmungen schiebt er zur Seite und läßt
der Sonne genügend Raum, um die Steigen spendenden
Thermikblasen
zu erzeugen. Konrad
fragt zur Vorsicht mal das Unterorakel auf dem
Flugplatz Aijdovcina an, ob nicht dort widrige Winde toben, einen
Überflug zum Plesa zum Vabanque machend. Der Wind ist leider zu
stark
für ein solches
Vorhaben. Also wieder an der Lijak-Kante
hin- und herpendeln. Das macht solange Spaß, bis nun die
Abschirmungen doch abschirmen und der Landeplatz frequentiert werden
muß. Dort gibt es Unruhe und Rätselraten, weil Peter
verschwunden
ist. Dann steigt
dieser plötzlich aus einem Auto und
verkündet seine Landung bei Aijdovcina. Da er außer der
eigenen Nase keinen weiteren Orakeln vertraut, hatte er die Windwarnung
gar nicht registriert und war chancenlos in thermikfreies Gebiet
geflogen.
Abgerundet wird der Tag durch unseren schon
traditionellen Besuch bei Sterk. Natürlich sind
wieder gefüllte Kalamaris der große Renner, aber auch andere
leckere Speisen erwecken die Aufmerksamkeit unserer hungrigen
Männer und Frauen. Als es ans Bezahlen geht, gibt es einen
weiteren Aha-Effekt: Sterk hat noch immer die konkurrenzlos
günstigen Preise. Mal sehen, wie sich das nach dem Beitritt der
Slovenen in die EU entwickelt.
Der Samstag
beginnt trübe. Zwar regnet es nicht, aber die Wolken hängen
recht tief. Schon tags zuvor ließ Uwe hören, daß er
abfahren wird, sofern nicht gleißender Sonnenschein sein Vorhaben
vereiteln würde. Wie ein Virus frißt sich dieser
Gedanke in die Hirne unserer
Recken und gleich am Morgen meldet sich auch Karsten ab. Volker folgt
und auch
Gideon kann sich nicht dazu durchringen, wenigstens den
Gleitschirmfliegern einen Abschiedsflug zu gönnen. Peters schier
überschwängliche Dankbarkeitsbezeugungen kann Konrad mit
Mühe ertragen und erst der Hinweis darauf, daß die magere
Vereinskasse stets offen ist für finanzielle Bekenntnisse wirkt
spontan beruhigend. Derweil werden die Wolken dünner und dünner.
Petrus formiert am Lijak
bereits die schönsten Cumuli, als Konrad als Letzter den
Schauplatz unserer Frühjahrsanflüge verläßt.
Inzwischen haben auch die anderen Heimfahrer erfahren, daß man am
Lijak immer auf ein Wunder gefaßt sein muß. Dann geht es
wieder über die sieben Berge aus dem Märchenland zurück
in die rauhe Wirklichkeit gen Norden.