Nachwort Die Wissenschaft wird zeitgemäße Informationen nutzen. Zweifellos bilden schon jetzt digitale Informationen einen festen Teil davon. Wissenschaftliche Publikationen werden zunehmend neben Druckmedien, als elektronische Medien auf Disketten, CD-ROM oder im Netz angeboten. Fast 60 Millionen Menschen kommunizieren innerhalb elektronischer Netze miteinander. Die klassische Informationskette Autor, Verlag, Buchhandel, Bibliothek, Leser wird hinterfragt. Hohe Zeit also, daß sich Vertreter aus Wissenschaft, Verlagen, Bibliotheken, Sortiment und Politik zu einem Symposion zusammengefunden haben, um Positionen zu bestimmen und Konkurrenz- oder Kooperationsfelder zu klären, Veränderungen und Erwartungen zu beschreiben. Die Veranstaltung war ein klares Signal für den Gestaltungswillen der Beteiligten, nicht immer ohne Kontroversen, aber immer mit kreativen Aussagen. Dabei erwies sich der Ansatz, den Leser bzw. Nutzer mit seinen Erwartungen in den Mittelpunkt zu stellen als besonders anregend. Die Einsatz- und Nutzungsmöglichkeiten elektronischer Publikationen und elektronischer Werkzeuge werden dort am schnellsten wirksam werden, wo der Aktualitätsdruck für die Wissenschaft am größten ist. Das gilt für die naturwissenschaftlich-technischen Fächer verstärkt. Aber es gibt auch Einflußfaktoren, die sich aus der Größe der Fach- und Nutzergruppen, dem Grad der Internationalität und dem physischen Umfang der Informationseinheiten ergeben. Bis zum Jahr 2000 werden wohl 25 % der wissenschaftlichen Publikationen in digitaler Form vorliegen. Die Wissenschaftler machten während der Veranstaltung sehr deutlich, daß sie in der digitalen Struktur nicht nur rationellere Produktionsmöglichkeiten für Verlage sehen sondern auch neuartige Qualitäten für das wissenschaftliche Publikationswesen wie z.B. größere Unabhängigkeit, beliebige Verfügbarkeit und Kombinierbarkeit sowie flexiblen Zugriff. "Die Beschleunigung der Kommunikation führt auch zur Beschleunigung der Erkenntnisse", war eine zentrale Aussage. Die Schnelligkeit, die Flüchtigkeit und der Informationsüberfluß hatten aber auch Kritiker. Mangelnde Qualitätskontrolle, unübersichtliche Zugriffs- und Nutzungsstrukturen, leichte Manipulierbarkeit, unsichere Zitierfähigkeit digitaler Texte im Wissenschaftsbetrieb und ungeklärte Urheberrechtsfragen waren in diesem Zusammenhang die Hauptargumente. Sie wurden aber nicht als Abwehr, sondern als Felder zum Nachdenken formuliert - für leistungsfähige Filtersysteme, für Textzertifikate, für den Schutz des geistigen Eigentums. Medienkompetenz war die Forderung des Plenums. Dazu gehört auch, daß die Politik rechtzeitig Entscheidungen trifft, die die nötige Planungssicherheit durch geklärte Rahmenbedingungen geben, der vorwiegend mittelständisch organisierte Verlags - und Buchhandelsbereich Kenntnisse und Investitionen so einsetzt, daß die kritische Masse digitaler Dienstleistungen erreicht wird, das Spektrum der Bibliotheksdienstleistungen weniger institutions- als funktionsbezogen definiert wird. Die ernsthafte Auseinandersetzung zeigte, daß die gemeinsame Gestaltung der Informationskette nicht unbedingt bedeutet, daß die klassische Rollenverteilung erhalten bleibt, sondern, daß neue Koalitionen und auch neue Anwendungsgebiete entstehen und besetzt werden können. Diese kann man dann am besten definieren, wenn die Diskussion nicht grundsätzlich geführt wird, sondern differenziert nach Bedürfnissen und Märkten gefragt wird. Die Frage stellt sich nicht, ob oder ob nicht, sondern wie Verlage, Bibliotheken und Buchhandel künftig Qualität sichern helfen, pluralistische Strukturen auf der Produktions- und der Diskussionsebene erhalten und den ungehinderten Zugang zur Information gewährleisten. Daß hierbei die Wissenschaftler selbst ein Wort mitreden und die Entwicklungen vorantreiben wollen, zeigt sich in den Beiträgen deutlich. Der Aufbau einer leistungsfähigen Informationsinfrastruktur für digitale Informationen und Publikationen ist dringend. Entscheidend sind dann die Dienste auf den Netzen. Die Positionsbestimmungen des Symposions haben gezeigt, daß die Beteiligten um den Stellenwert ihres Beitrags zu den Veränderungen im wissenschaftlichen Publikationswesen wissen und bereit sind, sich zu engagieren und zu handeln. Der offenkundige Ansatz von Aufgeschlossenheit für die neuen Kommunikationsstrukturen, aber auch für kooperative Anstrengungen sind dabei bemerkenswert. Klaus-Dieter Lehmann