Frühjahrsanfliegen 2001 in Slovenien
"Im Zeichen des Wassermannes"

ls der Winter sich seinem Ende zuneigte und sich nur noch in krampfhaften Zuckungen sporadischer Schneefälle und Kälteeinbrüche gegen die in ihrer Kraft stetig erstarkende Sonne, Spenderin nicht nur des Lebens sondern auch der Thermik - Wonneborn der Fliegerzunft, zu erwehren wußte, war die Zeit des Sammelns gekommen. Herolde wurden ins Land ausgesandt, die Flieger des Luftsportvereins Crawinkel aus ihrer Winterruhe aufzurütteln und für den Frühjahrstrip ins ferne Land der Slovenen zu formieren. Die Slovenen, ein so gastliebendes wie friedfertiges Völkchen, siedeln im Südosten des Alpengebirges, welches ihr Land gegen widrige Nordwinde abschirmt und offen ist für die warmen Lüfte aus den südlichen Breiten. Dort wollten wir uns die Lungen mit der köstlichen Höhenluft füllen und Drachen und andere Luftrösser (Gleitis oder neuerdings Glitschis genannt) fit zu machen für spätere Ausritte in heimischen Gefilden. Nur wenige Ritter und Knappen unseres Ordens vermochten nicht, dem Ruf von Großmeister Konrad zu folgen. Der junge aber nicht minder kühne Gerrit muß Minnedienste leisten bei seiner in guter Hoffnung befindlichen Herzensdame. Ritterin Angi pflegt ebenfalls Fliegernachwuchs, Tierbader Olaf muß bei der Seuchenbekämpfung aushelfen, Neumitglied Stefan Stähr stählt Soldaten. Dagegen bewirkte der gute Ruf unserer Frühjahrsfeldzüge, daß zwei Ritter eines sächsischen Ordens , Stefan Lamowski und Thomas Pfüller begehrten, sich unserem Fähnlein anzuschließen.

Anreise, Sonntag:
Wie schon früher treffen wir uns am Fuß des Hochstaufen bei Bad Reichenhall, wo bekanntlich einst auf der Wiese neben der Raststelle unser Großmeister nach einem Drachenritt Zuflucht vor dräuendem Gewitter fand. Während aus ähnlichem Grund  die heuer noch auf Spätankömmlinge Wartenden Unterschlupf in einer Art Bierzelt suchen, erscheint die Marketenderin und scheucht uns ohne Erbarmen hinaus in den Regen, auf das Ende ihrer tariflichen Arbeitszeit verweisend. Zum Glück sind alle Teilnehmer pünktlich und ohne Verzug wird die Reiseroute über die belebte Straße nach Süden eingeschlagen.
bei Anklicken im Großformat: unsere Herberge in LokveDamit nicht wieder wie im Vorjahr das flatternde Warnschild mit den rot-weißen Zebrastreifen und funkelnden roten Drachenaugen den Vorwärtsdrang von Uwes Kalesche bremst, wählen wir die kurze Route über den Predel-Paß. Mühsam quälen sich die Fahrzeuge hoch zum Paß, um sich danach in ihrem Vorwärtsdrang kaum bremsen zu lassen. Erst die Belohnung, bestehend aus einer frischen Tankfüllung zum Dumpingpreis, vermag es, sie aufzuhalten. Langjährige Erfahrung hat uns gelehrt, daß es in unserer Herberge in Lokve zunächst kalt ist, dafür entfaltet der geheizte Kamin segensreiche Wirkung beim Abendmahl und auch zum Frühstück.  Das Orakel, befragt zu den Aussichten fürs morgige Wetter, hüllt sich in Nebel.
Rote Olga mundet und muntert aufGefragt ist nun des Großmeisters Kunst, gute Laune bei schlechtem Wetter zu erzeugen. Ein probates Mittel ist stets die Ausgabe berauschender Getränke. Die reichlich mitgeführten Vorräte an "Roter Olga" entfalten hier segensreiche Wirkung, schärfen den Verstand und lösen die Zunge. Gar nicht zu vergleichen mit dem  berüchtigten "Blauen Würger" aus grauer Vorzeit, der den Geist nur vernebelte und zu Sprach- und Sehstörungen führte.
Mit heißer Flamme wird das Zinn geschmolzenAls nächstes gibt es Putz- und Nähstunde, beim Recken Uwe werden Lauscher im Helm montiert, die ihm Konrads Befehle von weither zu Gehör bringen. Ladegeräte spenden Akkus neue Kraft und auf Landkarten werden Routen für größere Ausflüge studiert.

Montag:
auf dem GS-Startplatz - Blick auf den verpfützten LandeplatzDie Wetterverbesserung deutet sich an, Himmel noch bedeckt, Laune trotzdem gut. Also Start- und Landeplatz besichtigt, alles patschnaß. Besonders die kleinen Seen ähnelnden Pfützen auf dem Landeplatz finden unverholene Skepsis der Drachenflieger. Nutzen doch diese regelmäßig den Einsatz von Kniebremse und Bauchplumpser zur materialschonenden Umwandlung von kinetischer Energie in Wärme. Wieder gibt es eine kleine Wanderung zur Quelle des Lijak am Fuße des Startberges.  Vergeblich hält Konrad Ausschau nach seiner vor einem Jahr hier bei gleichem Anlaß verlustig gegangenen roten Mütze. Wessen Kopf sie wohl jetzt schmückt?...und es wallet und siedet und brauset und zischt...
Wenigstens tröstet eine gut gefüllte Futterschüssel !Abends gibt es am Kamin leckeres Essen. Wer Appetit hat auf Sprengreh kommt ebenso auf seine Kosten wie Liebhaber von gegrillten Kalamaris, den leckeren Miniaturausgaben der gefürchteten achtarmigen Meeresungeheuer. Eine besondere Delikatesse sind die mitunter zum Frühstück dargereichten hauchdünnen Scheiben slovenischer Salami, deren Gusto die Urgewalt in Freiheit lebender Stiere nicht verleugnen kann.In Sorge um die zukünftige Verfügbarkeit stattet Konrad dem örtlichen Metzgermeister MIP einen Besuch ab und ersteht einen Arm voll davon. Wird es ein (Wasser-)Mühlenfest geben in Lokve?Slovenische Salami vom MIP - Nachschub fürs Mühlenfest?

Dienstag:
Noch immer ist das Wetter nicht geeignet für Luftausritte, also empfiehlt Konrad zur Hebung des kulturellen Niveaus eine Ausfahrt ins benachbarte Venedig. Gilt es doch, Kraft zu schöpfen aus dem jahrhundertealten Glanz der Lagunenstadt. Nicht jeden unserer Ritter zieht es zu derartigen Kristallen der Zivilisation, Stefan und Thomas ziehen einen schnöden Abgeleiter vom Lijak vor und Malermeister Uli fürchtet um den Hausfrieden, frönte er ohne sein daheim gebliebenes treues Weib Dörthe derart oppulentem Tourismus.
gut, daß wir nicht über die Brücke müssenSo werden wir auch gleich Opfer eines Wegelagerers, der uns am Stadttor entgegentritt, einen abgegriffenen Prospekt als Waffe in den Fäusten. Er verspricht für 40DM eine Traumfahrt auf seiner Motorjacht durch die Kanäle der Lagunenstadt. Zu spät merken wir, daß er diese Gebühr von jedem Passagier erhebt und seine Jacht ein altersschwacher Schrottkahn ist. Ganz dicht am Ufer entlang (damit es beim Kentern auch jeder erreichen kann), überschwappende Wellen, Gischt im Rücken, gelangen wir über die Lagune endlich in das Flachwasser der Kanäle. Zutraulich streichen zum Trocknen aufgehängte Wäschestücke über unsere Haare, Putz rieselt von den Wänden und Fische sonnen sich ihre Bäuche. Unser "Gondoliere" zeigt uns das Haus von Casanova und redet vom tausendjährigen Venedig. Andreas denkt an 1400 Jahre Arnstadt und mit Sorge an sein  in der Nähe des Schrottplatzes abgestelltes Auto...
unsere lustige Truppe und die TaubenDann sind wir neben dem Dogenpalast, der Inhalt unserer Geldbeutel wird drastisch abgesenkt und wir könnten, am Ziel der Reise angelangt, ja nun wieder zurückfahren. Das will aber denn doch keiner sogleich. Konrad möchte die bunten Bilder im Dogenpalast anschauen, Olga süßes Eis schleckern. Animalische Genüsse gegen geistige abzuwägen fällt unseren Fliegern stets leicht, der Bauch siegt gewöhnlich und sooo sehr wird der Großmeister nun doch nicht geliebt, daß man ihm hinterdrein durch eine Galerie trottet und dafür auch noch bezahlen soll.
Du fällst mir nun nicht mehr um!Nach kurzer Zeit geben wir es auf, die Tauben auf dem Markus-Platz zu zählen und studieren ihr Sozialverhalten, besonders in der Umgebung von Taubenfutterquellen.

Unser Recke Uwe mißt sich am Campanile von San Marco, ein Foto aus geschichtlicher Zeit beeindruckt ihn mit der Größe des Schutthaufens nach einem Einsturz.
 
 
 

Mittwoch:
Martin bei gemeinnütziger TätigkeitEndlich hat Petrus ein Einsehen und läßt die Sonne für uns lachen. Also frohgemut die Kaleschen beladen und ab geht es zum Drachenstartplatz. Stefan und Martin kommen mit, um die Kaleschen am Gleitschirmparkplatz abzustellen. Martin, offensichtlich besorgt um die Gesundheit seiner Kraftfahrer, nagelt an der Drachenrampe und macht gemeinsam mit dem Großmeister widerspenstigem und keck in die Höhe gewachsenem  Gesträuch darunter den Garaus. Plötzlich ertönt von oben erst Schreckens- dann Wehgeschrei und Konrad, Böses ahnend, springt nach oben. Was ist dort passiert? Uwes Kalesche, die auf den schönen Namen Mercedes hört, wurden die Bremsklötze gelockert, unbedacht vom eigenen Fahrer. Daraufhin rollte sie, ihrem Bestreben nach Minimierung der potentiellen Energie folgend, den Aufbauplatz hinunter, drauf und dran, sich in den schier bodenlosen Abgrund zu stürzen. Ulis Drachen, wohl wissend, daß Mercedes keine Flügel wachsen würden und daß des Großmeisters Leben darob in größter Gefahr, stemmte sich todesmutig gegen Mercedes und konnte ihrem Bestreben Einhalt gebieten. Doch das um welchen Preis! Eine Schwinge des Drachens geknickt - kein Flug mehr ohne Transplantat! Fast noch schlimmer: Die schimmernde Haut, Stolz eines jeden Drachens und seines Reiters, hatte einige Schuppen verloren, andere waren zerkratzt. Drachen von diesem Typ häuten sich nicht mehr von alleine! Ewig sichtbar werden transplantierte Schuppen bleiben und unsinnig teuer ein gänzlich neues Schuppenkleid. Traurig blickte der Drachen seinen Reiter an, dieser ertrug es nicht, flüchtete sich in den Wald, Trost zu suchen beim leisen Rauschen der Blätter und Singen der Zikaden.Uwe sammelt Minuspunkte

Jedoch schon nach kurzer Zeit war Uli wieder Manns genug zu besonnener Aktion und kam mit Uwe überein, nacheinander auf jenes Drachen zu reiten. Also wurde fertig aufgezäumt und ab ging es in die Lüfte. Wunderbar, nach so langer Winterpause wieder einmal das Rauschen des Fahrtwindes auf den Wangen zu fühlen, das Beben in den Flügeln beim Herannahen an eine Thermikquelle, das Bocken des Drachens in Turbulenzen zu bändigen und den Blick weit über Berge und Täler schweifen zu lassen. Was Wunder, daß unser Recke Uwe darüber die Zeit vergaß, daß sein junges Blut heiß wurde und das Versprechen verdrängte, daß er soeben seinem Gefährten Uli gegeben hatte. Unwillig sah der Großmeister, daß Uwe flog und flog. Bald wird kein Start mehr möglich sein wegen der zu Abend einsetzenden widrigen Winde! Edelfrau Olga, unseres Großmeisters schöne und junge Frau, spürt mit weiblichem Feingefühl die Verschärfung des Konflikts und eilt hinunter zum Landeplatz, wo Uli mit nur noch wenig Hoffnung auf ein Fluggerät wartet. Gemeinsam falten sie rasch Olgas Drachen zusammen und eilen zurück und hinauf zum Startplatz. Dort stehen sie dann kurze Zeit später, Uli eingehängt in Olgas Drachen, wohl wissend, daß er guten Gegenwind benötigt, damit ihn dessen kleine Schwingen verläßlich tragen. Von unten sehen wir ihn noch lange dort stehen, drücken die Daumen und ahnen schon, daß es heute keinen Flug geben wird für Uli. Es war nicht der Tag unseres Malermeisters.

Donnerstag
Früh am Morgen wird Uli von Uwe zum Bahnhof nach Villach gebracht. Uli muß sein Nervenkostüm neu ordnen, Uwe seine Minuspunkte zählen und überlegen, wie er sie in Pluspunkte verwandelt.
3 Glitschis auf GratwanderungDa Petrus schon wieder Wasser lassen muß, beschließen wir einen Wandertag. Es zeigt sich aber, daß die meisten Drachen- wie auch Glitschi-Flieger nichts von übertriebener Beinarbeit halten. Andreas (ehemals Kaleschenhändler, jetzt in Umprofilierung zum ehrlichen Kaufmann) wörtlich: "Warum soll man gehen, wenn man auch fahren kann?" Also wieder ein Kompromiß: Viel fahren, etwas fliegen, etwas wandern. Heute fahren wir in einer Regenpause auf den Kovk und entlassen dort unsere 4 Glitschis. Der Wind ist zu schwach, sie in der Höhe zu halten, bald entschwinden sie den Blicken von Konrad und Olga, die dann die Kaleschen wieder hinunter lenken.
Unten, neben der Pizzeria Anja, liegt der große Landeplatz. Bald schweben unsere Luftritter ein und verstauen ihre bunten Lappen und Schaumstoffsessel in unförmig großen Rucksäcken. Das war schon der letzte Flug in Slovenien für dieses Mal. Martin kann keinen Gleichschritt!

Unterhalb der Drachenrampe gibt es eine kleine Kapelle St. Marien, die wir aus der Luft schon gut kennen. Heute wollen wir sie uns mal aus der Nähe anschauen. Natürlich werden die Kaleschen so hoch wie irgend möglich an sie herangelenkt. Die verbleibenden 50 Höhenmeter sind rasch durchmessen und wir stehen vor der kleinen Kapelle. Aus dieser Höhe kann man mit dem Drachen gerade noch sicher den Landeplatz erreichen, die Glitschis wiegen teils neidisch teils anerkennend die Häupter, spähen aus nach Notlandeplätzen in der Umgebung.Uff!! 50m Höhengewinn per pedes - für Glischis eine echte Leistung!
Abends steuern wir einen Höhepunkt unseres Aufenthaltes hier an, den Besuch der Gaststätte Sterk. Bei keinem unserer Besuche in Slovenien haben wir das versäumt und der Wirt begrüßt uns deshalb als alte Gäste mit einem Willkommenstrunk. Werden wir heute wieder gefüllte Kalamaris speisen, die Spezialität des Hauses? Oder das Innenleben von mit dem Saft der Limonen beträufelten Austern aussaugen? Oder an knusprigen Froschschenkeln knabbern? Wie dem auch sei, Sterk ist eine Wucht und das nun schon seit 35 Jahren.

Freitag
Ja ljublju Ljubljanu!Die Wassersäcke am Himmel über Lokve können uns schon nicht mehr erschüttern. Als Alternativprogramm wählen wir uns den Besuch der Hauptstadt Sloveniens, Ljubljana. Ausgerüstet mit einer stattlichen Anzahl bunter Regenschirme trotzen wir den Unbilden der Witterung und genießen das Treiben im Zentrum der Stadt, schlendern gemütlich über deren Märkte. Uwe bietet Gummitiere zum Verzehr an, die sich weitaus größerer Beliebtheit erfreuen, als die getrockneten Ingwerchips von Konrad. Wer vemeint, daß nun der Regen unsere Getreuen in den Schutz musealer Räumlichkeiten treiben könnte, verkennt deren Abscheu vor jeglichen Erzeugnissen der darstellenden Kunst. Die einzigen Räume, die gern aufgesucht werden, sind solche, die der Befriedigung körperlicher Bedürfnisse dienen, also Kneipen und Klo's. Letztere findet ein nicht genannt und schon gar nicht im Bild dokumentiert werden wollendes  Mitglied unseres Ordens gewöhnlich leicht in der Nähe von freistehenden Bäumen und auch Startrampen.Wie gut, daß die Schirme so schön bunt sind!

Samstag
gestraft wird leicht der UngestreifteEin Blick zum Himmel, und das Tagesprogram ist wieder klar: Rückfahrt in die heimatlichen Gefilde Sachsens und Thüringens. Schnell werden die Siebensachen auf die Kaleschen geladen, der Wirtin tief empfundener Dank ausgesprochen, der wohlverdiente Lohn ausgehändigt mit einem soliden Surplus als Anreiz, weitere Deutschkurse zu besuchen. Dann verlassen wir dieses Paradies, um zur Erde zurückzukehren.
Für die Fahrt durch Italien benötigen wir wieder diese rot-weißen Scheiben hinten an den Drachenschwänzen. Sicher, daß sie uns nicht davon fliegen sind wir erst, nachdem wir sie in Österreich abnehmen können. Das tun wir dann auch erleichtert und kehren ein zum gemeinsamen Abschiedsessen in der Autobahnschenke. Bevor es heim geht zu Muttern wolln wir noch mal richtig futtern!
Dann geben wir unseren Kaleschen wieder lockere Zügel, Uwe und Andreas stürmen davon, Olga und Konrad mit ihrem betagten Seppl betulich hinterdrein. Bald ist es nicht nur naß, sondern auch windig und kalt, wir fühlen uns wieder "zu Hause". Wann endlich kommt sie auch hier an, die ersehnte Thermik?