"Im
Pinzgau wird es heute ziemlich sportlich werden, der 2Uhr-Temp zeigte starken
Wind aus West"! Streckencrack Max Altmannshofer blickte bedeutungsschwer
drein, während wir, zusammengekauert unter einem Drachenstapel sitzend,
von der Rauschbergbahn nach oben befördert wurden. Welche Strecke
könnte man denn so für unsere Landesmeisterschaft heute ausschreiben?
Diese Frage wurde schon im Vorfeld der 12. "Ostdeutschen" diskutiert, denn
wie bisher Jo-Jo Fliegen zwischen Reichenhaller Haus und Hochfelln hatten
viele keine Lust mehr. Klar war auch, daß einigen der im G
ebirgsfliegen
weniger erfahrenen Piloten schon beim Gedanken an eine Talquerung zum Sonntagshorn
mulmig sein wird, ist doch erst mal kein Landefeld in Sicht. Nun kündigte
sich aber wirklich Superwetter an. Auf dem Berg bauten die zwanzig Teilnehmer,
darunter auch Piloten aus Bayern, ihre Drachen auf. Ein paar hundert Meter
höher ließen bereits leckere Cumuli ihre Muskeln spielen und
der Höhenwind schien gar nicht so stark zu sein wie laut Max' Prophezeihung.
Beim ersten Briefing begrüßte
uns mit Dieter Kamml der Vorsitzende des DCB Ruhpolding schon als alte
Bekannte, waren doch die "Ostdeutschen" auf dem Rauschberg bereits langjährige
Tradition. Der Luftsportverein Crawinkel war mit einer großen Mannschaft
angerückt. Konrad, Olga und Uli als "Alte Hasen" mit OLM-Erfahrung
hatten noch Uwe und Karsten als Wettbewerbsneulinge und Mitstreiter zur Seite.
Die Crawinkler Gilde der Gleitschirmflieger hielt sich bedeckt. Einzig
Thomas und Angi wollten etwas reinriechen, aber nur als Zaungäste,
und nicht um Pokale und Ehren kämpfen.
Angesichts des optimalen Streckenwetters
entschieden sich die Pilotinnen und Piloten zu einer neuartigen Aufgabenstellung:
Jeder Teilnehmer kann seine Flugstrecke frei wählen! Ähnlich
wie bei der Disziplin "Freie Strecke" zählen die geflogenen Kilometer,
allerdings - darin die Neuerung - nach der beim OLC angewandten Methode
über GPS-Track ermittelt und mit den einschlägigen Faktoren gewichtet.
Geschlossene Aufgaben werden also höher bewertet. Ein Zick-Zack-Flug
über 100km wird somit als Freie Strecke von 150km gewertet, während
dagegen ein FAI-Dreieck von 100km gleich mit 200km zu Buche schlägt.
Damit sollte verhindert werden, daß unser Wettbewerbsleiter Siegfried
Prietz evtl. einziger Rückholer sein könnte.
Dieter
Kamml gab anschließend vielbeachtete Tips für optimale Streckenführungen
an der Nordkante sowie kleine und große Dreiecke. Listen mit Wendepunktkoordinaten
wurden herumgereicht und grüppchenweise Routen diskutiert. Das kostete
alles seine Zeit, und da der Rauschberg schon vor einer guten Stunde die
Ruhpoldinger Cracks auf ihre 200er Strecken gebracht hatte, gönnte
er sich jetzt eine kleine Ruhepause. Somit begann für viele Piloten
bald nach dem Start der Abstiegskampf und manche fanden sich trotz schönster
Wolken am Himmel auf dem großen neuen Landeplatz ein. Jedenfalls
gab es nun kein Rückholeproblem mehr. Hatte man den Rauschberggipfel
erst einmal überhöht, gab es für uns Flachlandflieger sagenhafte
Steigwerte und schon fast 3000m Basis. Mit
üppiger
Höhe segelte man über das Sonntagshorn und einträchtig weiter
zum Grubhörndl. Spätestens dort zerstoben die Teilnehmer in Richtung
Steinplatte, Loferer oder Steinernes Meer. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen,
über Saalfelden zum Wilden Kaiser zu fliegen. Da es am Steinernen
Meer aber so gut vorwärts ging und die Basis ständig anstieg,
flog ich weiter zum Hochkönig und dann lockte natürlich das Pinzgau
gewaltig. Über Funk hörte ich, daß Andreas Becker am Sausteigen
kein Steigen mehr finden konnte und bei Zell landen mußte. Die anderen
Berliner waren aber munter unterwegs über den Leoganger und Loferer
Steinbergen. Auf dem Pinzgauer Spaziergang hielt es den Fotoapparat nicht
mehr im
Gurtzeug.
Der Blick auf den Alpenhauptkamm mit Großglockner, auf den Zeller
See aus knapp 4000m mußte einfach konserviert werden und ich kam
etwas ins Bummeln. Mit einigen anderen Drachen, die sicher zur Österreichischen
Meisterschaft gehörten, ging es weiter bis zum Wildkogel, von dort
aus ein langer Abgleiter über den Hahnenkamm Richtung Ruhpolding.
Die spätere Auswertung ergab, daß es gerade noch ein FAI-Dreieck
nach OLC-Regel geworden war und somit punktbester Flug des Tages. Wolfgang
Nisser konnte ein nur wenig kleineres Dreieck über Saalfelden und
Wilder Kaiser mit Landung in Ruhpolding abrechnen. Erstaunlich, daß
insgesamt nur 4 Piloten außen gelandet waren.
Für den nächsten Tag
versprach der Wetterbericht auch gute Streckenflüge, sagte aber zunehmende
Labilität voraus. Also wurde wieder ein Durchgang nach OLC-Regeln
angesetzt. Um nicht noch einmal der Mitttagsflaute zum Opfer zu fallen,
wurde besonders zügig gestartet. Heute gab es ein ganz anderes Problem
mit dem Hochkommen: eine schwache Inversion deckelte das Steigen und man
kam einfach nicht mehr auf Startplatzhöhe. Alle gestarteten Drachen
bewegten sich auf fast gleicher Höhe und belauerten sich gegenseitig.
Kaum erwischte einer zufällig das Haar eines Bartes, stürzten
sich alle drauf und das Geschubse und Gezerre daran begann. Wäre
beim Briefing eine Drehrichtung festgelegt worden, so hätten sich
einige Piloten dabei doch wohler gefühlt. Nach fast einer Stunde nervenaufreibenden
Wartens kam endlich der erlösende "Durchreißer" und spülte
das Feld eine Etage höher. Wolkenfetzen begannen aber schon bei 2400m,
da wurde der Gleitflug übers Sonntagshorn wesentlich spannender. Auch
danach war es heute viel mühsamer. Ein langer Aufenthalt am Grubhörndl
brachte den Beteiligten nur wenig ein, die Wolke darüber war schon
recht dunkel und schattete sehr effektiv ab. Auf der anderen Talseite tief
angekommen rettete noch einmal ein ruppiger Leebart vor der Landung, ein
paar Kilometer weiter war dann Schluß. Einzig Wolfgang Nisser konnte
auf seiner Vortagesroute den zweiten Schenkel noch bis zum Wilden Kaiser
fliegen, die anderen Mitglieder der Berliner Mannschaft und ich vergruben
sich im Saalachtal. Da es dort heftig turbulent zuging, wurde bei den Landungen
eine größere Menge Alu-Schrott produziert. Lokalmatador Dieter
Kamml flog als Einziger eine längere Strecke ins Ziel und holte sich
mit 97 OLC-Punkten den Tagessieg. Das ergab 900 Wertungspunkte für
den zweiten Durchgang und zusammen mit den 571 Punkten vom Vortag den dritten
Platz in der offenen Gesamtwertung.
Am
Pfingstsonntag sollte es laut Wettervorhersage regnen, was es auch tat.
Uli meldete sich ab zum Minnedienst bei Dörthe (selbst das trübste
Wetter wird erträglich, wenn man von einer liebenden Frau verwöhnt
wird). Der Rest der Mannschaft entschied sich zwischen Regenwanderung auf
dem Berg oder zwischen Häusern für die letzte Variante. Konrad
zog es zur Kultur, Olga zum Eis, die anderen hatten noch von der Slovenien-Wasserwanderung
genug. Also fuhr uns Karsten in seinem neuen Luxusauto nach Salzburg. Konrad
und Olga verschwanden für zwei Stunden in Mozarts Geburtshaus, die
anderen sondierten das Terrain und frequentierten schon mal die Eisdiele.
Nach Mozarts Geburtshaus lockte natürlich Mozarts Wohnhaus mächtig
gewaltig. Konrad riß sich aber zusammen und verschob dessen Besuch
auf einen zukünftigen Regentag. Die gewonnene Zeit wurde in den Besuch
einer Eisdiele investiert. Das Eis war prima, nur mit dem Ambiente war
Olga nicht zufrieden, wollte nach dem Aufschleckern ihrer Portion gleich
noch eine bessere ausfindig machen. Auch hier wurden nicht alle Wünsche
befriedigt, denn als Flieger zieht
es
uns nach oben und oben ist in Salzburg die Burg. Das Geld für die
Bahnfahrt wurde gespart und hoch gelaufen. Trotzdem büßten wir
am Eingangstor etliche Euros ein, die uns eine allerdings sehr freundliche
Dame als Tormaut abknöpfte. In der Burg regnete es genau so wie außerhalb.
Um in die trockenen Innenräume zu gelangen hätten wir noch einmal
zahlen müssen. Dann hätte es nicht mehr für ein zweites
Eis gereicht, also Regenspaziergang auf dem Burghof. Eine bunte GFK-Kuh
reizte Uwe dermaßen, daß wir ihn mit Mühe davon abhalten
konnten, nicht aufzusteigen. Wenigstens ließ sich Uwe mit Sigrid
dort aufs Zelluloid bannen. Dann ging es wieder runter, satte Parkgebühren
berappt und ab nach Ruhpolding in die Pension Sonnenschein. Die "Sonne"
ging dann wirklich auf, als Thomas mit Angi und Andre eintrafen. Fix zauberte
Olga eine leckere Soße und die zu deren Verzehr notwendigen Spaghetti
waren auch rasch gekocht. Uwes Vorräte an verschiedenfarbigen Weinen
sowie Konrads "Rote Olga" wurden auch in gebührendem Maße verringert.
Am
Pfingstmontag blieb uns auch der Regen treu, deshalb wurde gleich die Siegerehrung
angesetzt. Neuer Ostdeutscher Meister wurde Wolfgang Nisser von der Schleppgemeinschaft
Segeletz Berlin, der damit neben einer beachtlichen Geldprämie einen
Gutschein der Firma Bräuniger gewann. Da mit Jutta Fürsattel
und Gabi Demberger zwei Damen vom DCB Ruhpolding teilnahmen, gab es erstmalig
eine offizielle Damenwertung. Neue Ostdeutsche Meisterin wurde Olga Lüders
vom Luftsportverein Crawinkel.
Ergebnisse offene Wertung:
1. Wolfgang Nisser | Bautek Twister | 1649 Punkte |
2. Konrad Lüders | Aeros Stealth | 1490 |
3. Dieter Kamml | Icaro Laminar 14 ST | 1471 |
4. Mike Füllgraebe | Bautek Sunrise | 1279 |
5. Bernd Wachowski | Icaro Laminar 14 ST | 1242 |
6. Andreas Becker | Icaro Laminar 14 ST | 1068 |
7. Jan Lozek | Moyes Xtralite | 1050 |
8. Jan Richter | Seedwings Merlin 148 | 936 |
9. Silvio Ehrich | Wills Wing AT 145 | 869 |
10. Uwe Schmidt | Seedwings Merlin 148 | 717 |
Alle
Teilnehmer waren sich darin einig, daß auch diesmal die OLM eine
runde Sache waren. Die Wertung nach OLC-Regeln hatte sich unter den
spezifischen Bedingungen dieses Wettbewerbs voll bewährt. Schade,
daß wir zum gemeinsamen Wettbewerbstermin mit den Ostdeutschen Gleitschirmfliegern
nicht auch den gleichen Startberg nutzen konnten. So kam es nur zu sporadischen
Treffen aber einer gemeinsamen Siegerehrung. Da wäre sicher mehr drin
gewesen. Auch haben nur Piloten von recht wenigen Vereinen der DHV-Region
Ost teilgenommen. Die versprachen sich dann aber alle ein Wiedersehen im
nächsten Jahr, egal ob wieder in den Alpen oder bei einer Schleppmeisterschaft
im Flachland.
2. Teil: Spaßfliegen in Greifenburg
Eine
Woche Greifenburg lohnt sich immer, wenn das Wetter paßt, ansonsten
muß man erfinderisch sein. Diesmal waren, wie meistens, beide Seiten
der Medaille zu nutzen. Zunächst gab es Flugwetter. Das war nicht
die Frühjahrshammerthermik sondern eher etwas für genießerische
Abgleiter, leicht verlängert durch schwache Thermikblubberbläschen.
Allerdings war auf dem Aufbauplatz stets eine Menge Drachen nebst Piloten
und Begleitpersonal vorhanden, man mußte schon einige Male mit seinem
Drachen hin- und herrücken, bis man ihn zwischen den anderen endlich
aufgebaut hatte. Angi und Thomas konnten sich davon überzeugen, daß
zwar das mittlere Alter der Drachenpiloten kontinuierlich wächst,
die alten Herren aber immer noch genug Bums drauf haben und auch hier und
da ein
zartes
Nachwuchsgewächs in Gestalt eines Jungdrachenfliegers gehätschelt
wird. Mitunter ist das sogar eine Frau! Karsten war beeindruckt von der
Größe des Aufbauplatzes und des Starthanges. Die Infrastruktur
hat sich weiter verbessert, man hat jetzt eine große Imbißbude
mit überdachter Terrasse, für Männlein und Weiblein getrennte
geflieste und blitzblanke Sanitärräume. Ausgediente MIG-Triebwerke
sollen in Zukunft den Hausbart nachladen, wenn der mal schwächelt.
Da es soweit noch nicht ist, muß man mitunter gegen das vorzeitige
Absaufen kämpfen. Vor meinen Augen begann bei ruhigen Bedingungen
ein Gleitschirm plötzlich zu pendeln, geriet in den Sackflug, schoß
nach vorn... und verschwand hinter einem Grat. Per Funk meldete ich Olga
den Vorfall und beschrieb die Position. Der GS-Fliegerin war, wie sich
später herausstellte, jedoch
zum
Glück nichts passiert. Sie zog noch die Rettung und verfing sich in
den Bäumen. Dort wurde sie dann herausgepflückt.
Karsten zerrte sich seinen Oberarm
bei der Landung und verzichtete auf weitere Flüge. Das tat nicht noch
extra weh, denn am nächsten Tag regnete es wieder mal. Also umschalten
auf Tourismus. Karsten verschwand hinter der Alpennordseite, wir verblieben
zu fünft und wollten eine Tour um die Kreuzeck-Gruppe unternehmen.
Seppl war schwer beleidigt, daß Angi sich ihm nicht anvertrauen wollte,
sondern sich lieber zu dritt in den winzigen A2 zwängte. Jedenfalls
ging es dann Richtung Lienz zur Ausgrabungstätte einer antiken Römerstadt.
Aguntum muß wirklich eine große Stadt gewesen sein, wenn man
das beeindruckende Stadttor betrachtet und den Krümmungsradius der
Stadtmauerreste abschätzt. Auf den Mauerresten herumzuklettern war
natürlich untersagt, deshalb machte es
gerade richtig Spaß. Von einem Aussichtsturm konnte man auf die Reste
einer Therme blicken. Interessant zu erfahren, daß der Pächter
für einen Monat Holz vorrätig zu halten hatte und daß der
Quotient aus Oberweite und Alter der bedienenden Sklavinnen einen bestimmten
Wert nicht unterschreiten durfte.
Weitere Attraktion auf unserer
Sightseeing-Tour war die Ragga-Schlucht im Mölltal. Das ist sozusagen
das Vorbild der Drachenschlucht bei Eisenach. Also nichts für Klaustrophoben.
Es ging nicht nur durch eine beängstigend hohe und enge Klamm, oben
klemmte auch manchmal ein dicker Felsbrocken, als würde er nur auf
uns warten. Dazu gab es Regen von oben, Gischt von der Seite und unten
zischte der Bergbach runter. Der schöne Rundgang endete mit einer
großen Portion Apfelstrudel mit Sahne. Angi wollte ihre schlanke
Linie nicht gefährden (wichtig für zukünftige Besuche der
Schlucht) und die A2-Mannschaft verschwand ungestrudelt Richtung Aldi.
Die
Freitags-Wetterkarte verhieß nur Trübsal, also wurde der Seppl
vollgeladen und auf Karstens Spuren Richtung Norden gelenkt. Aus heimischen
Gefilden simste Konrad täglich die Wetteraussichten. Nach ein paar
Tagen Regen lohnte sich die Geduld von ATP und es gab für unsere letzten
drei Negerlein noch eine halbe Woche halbwegs gutes Flugwetter.
Konrad Lüders