Lehre mit Videos

Die großen Anzeigenplattformen leben davon, ihren Kunden (d.h., Firmen, die Anzeigenplatz erwerben) möglichst viel Produkt (d.h., Aufmerksamkeit der Betrachter) zu möglichst hohen Preisen zu verkaufen. Das Produkt (d.h., der Betrachter) muß dazu möglichst genau analysiert und möglichst oft und lange auf der Plattform festgehalten werden. Dazu sind neben verschiedenen Tracking-Maßnahmen besonders “community building” (wg. “oft”) sowie ineffiziente Formen des Informationstransportes (wg. “lange”) hervorragend geeignet. Falls überhaupt Information transportiert wird, dann bitte so langsam wie möglich, damit zwischendurch und drumherum viel Werbung angezeigt werden kann.

Zu solchen ineffizienten Darstellungsformen gehört das Video. Sie entspricht einem Rückfall in das Zeitalter vor Erfindung der Druckerpresse und der Schrift: da mußte man tatsächlich, um etwas neues zu erfahren, dem Bänkelsänger zuhören. Nun ist wegen des starken wirtschaftlichen Interesses der Werbeindustrie die Informationsdarstellung mittels Video recht populär geworden. Das verleitet zu der irrigen Auffassung, daß dieses Vorgehen modern oder gar nützlich sei.

Die Gefahr ist nun, daß hochschulpolitische Entscheidungen (zur Förderung “moderner” Lehrmethoden) diesen Irrtum unterstützen. Immerhin hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß es nach geltendem Datenschutzrecht unzulässig ist, für Zwecke der Hochschullehre, also einer staatlichen Aufgabe, Videoverteilungsplattformen der kommerziellen Werbemakler zu benutzen, weil diese das Produkt (d.h., den studentischen Betrachter) in unerlaubter Weise ausspionieren und mit den dabei gewonnenen personenbezogen Daten (der Studenten) in nicht nachvollziehbarer Form Geschäfte machen. Das führt nun aber dazu, daß Aufbau und Betrieb ähnlicher Plattformen in Regie der Hochschulen unterstützt wird. Tatsächlich wäre deren Betrieb datenschutzkonform möglich - aber damit noch lange nicht sinnvoll.

Nun kann man Schaden für die Studenten, nämlich das ineffizientes Lernen, einfach dadurch abwenden, daß man Lehrvideos weder herstellt noch zitiert. Ein anderer Schaden ist allerdings bereits eingetreten: die für diese Zwecke vorgesehenen Ressourcen (Fördermittel) wurden ja den Hochschulen vorher an anderer Stelle gekürzt. Von daher ist es verständlich, daß sich die Hochschulen bemühen, durch Bewerbungen um solche (und andere) Fördermittel wenigstens einen Teil des fehlenden Geldes wieder zurückzuholen. Es ist nur sehr schwer, mit diesem Geld dann etwas vernünftiges zu tun, da man es ja eben nicht dort ausgeben darf, wo es fehlt, nämlich für die unterfinanzierten Grundaufgaben Forschung und Lehre, sondern nur für die Verbesserung der jeweils aktuellen Buzzword-Kompatibilität.